Das 30-jährige Bestehen der Reihe »Klassik am Meer« (Anmerkung: Der Kammerchor Wilhelmshaven – nicht Klassik am Meer – feiert in diesem Jahr 30-jähriges Bestehen) sollte an diesem Samstag in der Banter Kirche mit einem großen Konzert gefeiert werden. Das jedoch wurde weit mehr als das – es wurde ein einzigartiges Musikereignis.
Das Oratorium »Israel in Egypt« von Georg Friedrich Händel (1685-1759) hatten die Verantwortlichen auserkoren und dazu Interpreten vom Feinsten herangezogen. Im Mittelpunkt stand bei diesem besonders stark chor-orientierten Werk der Kammerchor Wilhelmshaven der Neuapostolischen Kirche unter der Leitung von Gerrit Junge, der auch für die gesamte Stabführung des Konzerts verantwortlich zeichnete.
Faszinierende Strahlkraft des vielköpfigen Chores
Für den Orchesterpart spielte Veronika Skupliks Barockorchester »la dolcezza« auf und für die Rezitate traten die Sopranistin Christina Germolus (Berlin), Countertenor Matthias Dähling (Hamburg) und Tenor Florian Sievers (Leipzig) auf. Unterlegt von Orgelklängen von Torsten Johann, eröffneten Moll-Töne das erhabene Oratorium und die beiden Sänger stimmten ein kurzes Klagelied über den neuen König der Ägypter an. In perfekter Harmonie dann das Miteinander des Orchesters mit der faszinierenden Strahlkraft des vielköpfigen Chores bei den nun folgenden Klagen des Volkes der Israeliten über die Unterdrückung.
Mal intonierten die Frauen- und die Männerstimmen im perfekten Wechselgesang, mal im mehrstimmigen Gesamtchor. Das gesamte Libretto dieses Oratoriums, das 1739 seine Uraufführung in London erlebte, beruht auf Texten der King-James-Bibel von 1611 und hier auf denen aus »Exodus« und den Psalmen in gut verständlichem alten Englisch.
Und Christina Germolus mit ihrem feinen Sopran glänzte mit ihren Soli wie auch in den Duetten mit Tenor Sievers ebenso kongenial wie der mit Altus Dähling. Mit ihren Rezitaten trieben die Vokalisten den zweiten Teil des Oratoriums zum erhaben inbrünstigen Triumphgesang des Chores, wenn der als gewaltige Stimme des israelitischen Volkes Gott und den mit seiner Hilfe gelungenen Exodus mit Inbrunst für die Befreiung und den Zug ins Gelobte Land preist.
Wenn man dann weiß, dass dieses Schlüsselwerk in Händels Oratorienschaffen seinerzeit nur mäßiger Erfolg beschieden war, gerade weil ihm die gewohnte Fülle an Arien fehlte, war »Israel in Egypt« in dieser Fassung schon deshalb eine unvergessliche Aufführung, weil der Kammerchor mit seinen 45 Sängerinnen und Sängern den weit überwiegenden Hauptpart des Oratoriums hatte und sich dabei auf grandiose Weise präsentierte. Da hielt es nach dem Schlusstakt niemanden in der voll besetzten Kirche auf den Sitzen und es gab Ovationen für diesen meisterhaften Auftakt zur diesjährigen Konzertreihe »Klassik am Meer«.
Aus der Wilhelmshavener Zeitung vom Montag, 16. Juni 2025
Autor: Wolfgang A. Niemann
Fotos: Jenny Rosentreter